Architekturpreis Kanton Zürich

Der H3

Im P.

Auszeichnung 2001

Erweiterung Siedlung Zelgli

Architektur:
Beat Rothen Dipl. Arch. ETH BSA SIA, Winterthur

Bauherrschaft:
Gemeinnützige Wohnbaugenossenschaft Winterthur

Anbau statt Umbau – Tessenow vor Augen und Wachsmann im Hinterkopf

Die gegen Ende des Zweiten Weltkriegs von der «Gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaft» Winterthur im Heimatstil realisierte Siedlung Zelgli hat sich bis heute in ihrer Grundsubstanz unverändert erhalten. Mit ihren entlang des Hanggefälles abgetreppten Reihenhauszeilen, die durch grosszügige Wiesenflächen voneinander abgesetzt werden, erscheint sie wie eine verspätete traditionalistische Antwort auf die Werkbundsiedlung Neubühl in Zürich. Nicht die flachgedeckte Kubatur der Moderne, sondern der durch Tessenow wiederbelebte Urtyp des Wohnhauses mit Satteldach kam hier zur Anwendung. Wenn auch die Eleganz des etwaigen Vorbilds nicht erreicht wird, bestechen die Häuser doch durch ihre gediegene Biederkeit. Hellgraue Feinputzfassaden werden von präzise platzierten zweiflügeligen Holzfenstern gegliedert, deren umlaufenden braungefassten Zargen den Ton der hölzernen Fensterläden vorwegnehmen.

Die wenigen Details sind mit Bedacht gewählt und sensibel aufeinander abgestimmt: schützender Dachüberstand, tiefe Fensterlaibung, Rankgerüste für Rosen am Giebel.

Letzterer markiert die Schnittstelle für jene Anbauten, mit denen Beat Rothen die zu klein gewordenen Grundrisse heutigen Bedürfnissen angepasst hat, indem er den Nordfassaden der Altbauten eine zusätzliche Raumschicht vorlagerte, welche die ehemalige Aussenwand zur Innenwand werden liess. Im Giebel zeigt sich die Nahtstelle entlang der kupfernen Regenrinne, die die Sichtbetonscheibe des Anbaus von der Putzfläche des Altbaus trennt. Ein einziges asymmetrisch platziertes Schlitzfenster, welches das regelmässige Muster der Schalungslöcher negiert, nimmt im Obergeschoss den Dialog mit dem Altbaufenster im Erdgeschoss auf.

Die an die massive Betonmauer anschliessenden Längsseiten erscheinen in ihrer geschuppten Streifenstruktur aus gross­flächigen Eternitplatten wie demontierbare Kartenhäuser, verströmen das Flair von Provisorien, die an Gartenlauben erinnern.

Tatsächlich lässt die Eternitverkleidung der vorgeblendeten Raumschicht viel eher auf eine Leichtbauweise rückschliessen als der unwillkürlich mit steinernem Trägermaterial assoziierte Verputz. Doch dass der Schein angesichts historischer Bauten aus der Zwischenkriegszeit trügen kann, weiss man seit Christoph&Unmack, jener Firma, die ab den Zwanziger­jahren im deutschen Niesky die vorfabrizierte Holzständerbauweise als Unterkonstruktion für jedwede Oberflächenverkleidung propagierte und per Bahn über ganz Europa verteilte. Ähnlich pragmatisch sah man den Dingen in der Schweiz entgegen. Im konkreten Fall der Siedlung Zelgli bevorzugten die ersten Erbauer eine hybride Mischbauweise aus gemauerten Giebel- und Wohnungstrennwänden und konstruierten die Fassaden im hölzernen Leichtbau. Der abschliessende Verputz ebnete alle Unterschiede ein und legte sich wie ein Sonntagskleid über die poveren Materialien.

Indem Beat Rothen deren Charakter durch die Wahl von Eternitelementen metaphorisch aufgreift, gelingt es ihm auch ohne explizites Entkleiden, auf einen konstruktiven Kern zu verweisen, der nicht nur seinen neuen Anbauten, sondern auch den Altbauten innewohnt.