Architekturpreis Kanton Zürich

Der H3

Im P.

Auszeichnung 2001

Neubau Mediothek/Umbau Turnhalle Kantonsschule Küsnacht

Architektur:
Bétrix & Consolascio Architekten AG, Erlenbach

Bauherrschaft:
Baudirektion Kanton Zürich, Hochbauamt

Bibliotheken sind Orte des Schweigens und leiblicher Abstinenz

Im säkularisierten, profanen städtischen Alltag des 21. Jahrhunderts bieten sie die vielleicht letzten Rückzugsmöglichkeiten vor musikalischer Dauerbeschallung, allgegenwärtigem Verkehrslärm und permanenter Geruchsbelästigung durch Fastfood. Doch durch all das, was sie ausschliessen, flössen sie auch Respekt ein, können gar, je nach Autorität der Betreiber und des architektonischen Raumes, Ablehnung heraufbeschwören.

Stille kann bedrückend sein, und die Wucht über Jahrhunderte angesammelten Wissens mag zuweilen erschlagen. Wer sah nicht schon zart besaitete Gemüter dem Ort der Bildung den Rücken zukehren, bevor sie die Türschwelle überschritten hatten?

Von Schwellenängsten unter den Schülern kann bei der neuen Mediothek, die Bétrix-Consolascio auf dem weitläufig durchgrünten Areal der Kantonsschule in Küsnacht errichtet haben, keine Rede sein. Bereits von Ferne lädt das Gebäude zum Betreten ein, öffnet sich mit seiner verglasten, im Obergeschoss auskragenden Front wie eine grosse Aussichtskanzel zur Umgebung.

Schweigen ist Silber, Schauen ist Gold: Der von der Schwelle zum Dach zweiseitig durchlichtete Innenraum bietet aufgrund seiner intelligent eingesetzten Regale verblüffende Quer-, Durch- und Ausblicke. Das Auge kann schweifen, nicht nur über Buchrücken hinweg, sondern durch leere Regalfächer hindurch bis in die Baumkronen der Umgebung. Die Regale tragen nicht nur das im Buch präsente Wissen, sondern auch die statischen Lasten des Baukörpers. Im buchstäblichen Sinne des Wortes stecken sie damit den geeigneten Rahmen für eine lebensbejahende, heitere Wissenschaft ab, die von der sinnlichen Qualität des Holzes und seiner warmen, goldenen Tonigkeit beflügelt wird. Man beneidet die Auserwählten, die am Rande des schuleigenen Rebbergs, in jener wie zufällig gestrandeten Arche, lesen oder am Computerbildschirm surfen dürfen. Innerhalb der über Jahrhunderte gewachsenen zwanglosen Anordnung subtil miteinander kommunizierender Solitäre bildet sie als erster Minergiebau in der Geschichte des Kantons Zürich die Fermate.

Ihr gegenüber liegt die steinerne Turnhalle aus dem Jahr 1878. Nach dem parallel zur Errichtung der Mediothek erfolgten Umbau fungiert diese nun wechselweise als Mensa oder Studiobühne.

Wird über der Erde der ursprüngliche Charakter der Halle nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten bewahrt, treten im Kellergeschoss die zeitgenössischen Eingriffe von Bétrix-Consolascio markant in den Vordergrund. Eine kirschrot geschlämmte Decke aus Faserzementplatten schwebt, scheinbar nur von einem roh belassenen Baumstamm ausbalanciert, über der schlichten Sichtbetonwanne des Fundaments. Sonnengelb eingefärbte Tageslichtschlitze und die grasgrünen Trennwände der angegliederten Sanitärzone runden das Bild ab und schaffen die geeignete Atmosphäre für den Probe- und Partyraum.