Architekturpreis Kanton Zürich

Der H3

Im P.

Auszeichnung 2001

Umnutzung Waschanstalt Zürich-Wollishofen

Architektur:
Angélil Graham Pfenninger Scholl Architecture, Zürich

Bauherrschaft:
Lienhardt & Partner Privatbank Zürich

Fliegende Neubauten – bodenständige Substanz

Am linken Zürichseeufer, in Wollishofen, wo das von Gottfried Semper konzipierte Treichlersche Wasch-Schiff gegen Ende des 19. Jahrhunderts seinen letzten Ankerplatz fand und sich im anbrechenden zwanzigsten eine chemische Wäscherei samt Färberei ansiedelte, künden nach der Jahrtausendwende offenbar nur noch ein himmelsstürmender Ziegelschlot und ein zweigeschossiger Klinkerbau von der ehemals industriellen Nutzung dieser heute Wohn- und Geschäftszwecken dienenden Parzelle. Doch der Anschein trügt.

Zwischen der alten Fabrikantenvilla im Süden und der Badeanstalt Hermann Herters im Norden erstreckt sich eine in zwei Riegeln hintereinander gestaffelte Gruppe von Neubauten, in deren Ausrichtung und Verzahnung die komplexe Logik des verlorenen Fabrikareals anschaulich bleibt. Mit all seinen für Aussenstehende schwer verständlichen innerbetrieblichen Organisationsformen bot es den Architekten eine unerschöpfliche Quelle, um die Hierarchie herkömmlicher städtischer Ordnungsprinzipien gegen das hier vorgefundene, ohne Kenntnis der Funktion anarchisch wirkende Prinzip von horizontaler Reihung und vertikaler Stapelung einzutauschen.

Betrachtet man die drei indischrot verputzten, strassenseitig weit über ihren gläsernen «Sockel» auskragenden Wohnkuben, so scheinen sie die herkömmlichen Verhältnisse der Schwerkraft optisch aus den Angeln zu heben und zu verkehren. Nähert man sich dem Komplex von Süden her, verschwindet ihre ohnehin fragile gläserne «Basis» vollends hinter der Mauerflucht des vorgeschalteten historischen Klinkerbaus, als würden die roten Kistenaufsätze, vom Erdboden gelöst, schweben.
Erst wenn man vor oder unter ihnen steht, nimmt man die zurückgesetzte Ladenzone mit dem angeschlossenen Restaurant wahr. Umrunden Passanten diese, gelangen sie in die mittlere Gasse, die sich zwischen dem beschriebenen strassenseitigen Riegel und dem seeseitigen Komplex eröffnet. Am Ende der langen Perspektivflucht erhebt sich, als Solitär majestätisch freigestellt, der eingangs erwähnte Fabrikschlot wie ein Monument aus vergangenen Zeiten. Selbst am Seeufer bleibt er sichtbar, überragt er die rückwärtige dreigeschossige Wohnzeile doch mühelos. Mit ihm schieben sich zwei zusätzliche Elemente unerwartet ins Blickfeld: Einerseits eine weitere rot verputzte Kiste, die wie die Steuerkanzel eines Ozeandampfers auf der Attikazone des gläsernen, nur durch Aluminiumbänder gegliederten Bauvolumens thront, andererseits ein Betonrisalit, der die bündige Fassade des Stahlskelettbaus durchbricht, in dessen Fundamente Reste des Semperschiffes verbaut wurden.

Mit diesem Patchwork aus unterschiedlichen Formen und Materialien, alten und neuen, verstehen es Angélil, Graham und Partner, in einer Mischung aus Wohn- und Geschäftsnutzung die Silhouette des ehemaligen Fabrikareals am Seeufer so zu paraphrasieren, als sei dieses noch immer präsent.